31.03.2013

Kulturgüter

Kulturgüter
Fotomontage: DannyWeinkauf
Eine pariser Busgruppe verlässt Ihren Reisebus in der Nähe einer berühmten hamburger Bauruine. Am Bushalteplatz gibt es zwei Mülleimer, ein Regendach, eine Stadtkarte und ein auf Touristen spezialisiertes Kiosk, das u.a. Kaffee, Würstchen und Postkarten verkauft. Der Besitzer des Kioskes heißt Walter. An der Kasse steht heute Karl, der seit über 20 Jahren für Walter arbeitet. Die Reisegruppe schlurft heran. Peter, der Stammbiergast, tritt einen Schritt zur Seite um Platz zu schaffen und beobachtet die Szenerie. Die Franzosen, alle in einem durchschnittlichen Alter von 50 kaufen Postkarten und Würstchen, die sie dann in einer ruhigen Menschentraube verspeisen. Es ist kalt und regnet leicht, daher stellt sich die Gruppe unter den 20 Meter entfernten Regenschutz

Karl: „Guck se Dir an.“
Peter: „Ja! ... wen?“
Karl: „Die Franzosen, das kulturlose Pack!“
Peter: „Ja, so sinn se, die Franzosen. Noch ein Astra bitte.“
Karl: „Kommt!“

Ins Bild tritt Jennifer. 25 Jahre alt, bildhübsch, mit kurzen blonden Löckchen und leicht verfilzter Frisur. Sie trägt einen Burberrymantel, hochhackige Boss Stiefel und eine eng sitzende Escada-Hose. Karl und Peter sabbern sie an. Jennifer tritt an den ersten Mülleimer heran und greift mit ihrem ganzen Arm hinein, wühlt ein wenig und zieht eine Bierflasche heraus. Deren Inhalt gießt sie mit respektablem Abstand zu ihren Schuhen in den nächsten Rinnstein. Das Bild wiederholt sich an der zweiten Mülltonne aus der sie zudem noch eine Colaflasche entnehmen kann. Sie packt die Flaschen in ihre Pradatasche und bewegt sich Richtung Kiosk.
Dort angekommen knallt sie die Flaschen auf den Tresen.

Jennifer: „Hier das sind 31 Cent plus...“ sie kramt in ihrer Tasche „... 5 Euro und 69 Cent! Ich hätte bitte einmal die neue Vogue.“

Karl stutzt kurz und macht wie gewünscht.

Karl: „Hier einmal die neue Wogue. Und Ihr Wechselgeld.“

Schweigen. Peter ist sichtlich unruhig. Er kämpft mit sich. Nach kurzer Zeit schafft er es nicht mehr sich zurück zu halten.

Peter, forsch: „Was haben Sie da eben gemacht?“
Jennifer: „Wer, ich?“
Peter: „Ja Sie.“ Antwortet er und nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche.
Jennifer: „Achso, Sie meinen die Bierflaschen. Ja ich habe soeben festgestellt, dass mir ein paar Cent fehlen und gerade fühlte ich mich so modetechnisch unterinformiert. Da musste ich irgendwie tätig werden. Ich konnte nicht anders, dass ist irgendwie wie so eine Sucht, verstehen Sie?“
Karl: „Und dann wühlt so ne hübsche Dame im Müll?“
Jennifer: „Ja das tut sie ich mein wenn hier jemand anderes gewühlt hätte wär das ja auch nicht schlimm gewesen, oder? Ich meine, keiner von uns hat ja eigentlich noch was zu verschenken, oder?“
Karl, Peter: „Nein, nein!“
Jennifer: „Sehen Sie, ist doch alles gut.“
Karl: „Darf ich Sie dennoch fragen was Sie beruflich machen?“
Jennifer: „Kein Problem, ich beantworte gerne die persönlichen Fragen schmieriger alter Männer. Genau genommen bin ich noch gar nicht berufstätig. Ich studiere BWL und stehe im Moment kurz vor meiner Diplomarbeit, da kriegt man manchmal so Anwandlungen. Wissen Sie, selbst als BWL Student ist ja die finanzielle Zukunft derzeit ungesichert, wegen der Krise.“
Peter, überzeugt: „Jenau! Ich bin Arbeitslos und der Staat macht nix.“
Jennifer, betont: „Genau das meine ich. Und irgendwie will so ein Burberrymantel ja bezahlt werden, da muss man dann schon was für machen. Grundsätzlich sind die Sachen die ich trage eigentlich viel zu teuer für mich aber sie sind so schön weich."
Karl: „Ich hatte auch mal son Pulli, der war weich, der war auch wat Edeles. Hatte meine Gabi beim Karstadt jeholt, hat 30 Euro gekostet. Dat scheiß Ding ist dann nach der 10 Wäsche eingelaufen, da hamm wa dat meinem Neffen geschenkt, dem passte dat. Wat hat Ihr Mantel denn gekostet?“
Jennifer, trocken: „2400 Euro.“

Schweigen...

Peter: „Achso.“ Nimmt einen Schluck.
Jennifer blickt auf die Uhr: „Oh! Schon so spät. Ich muss los, Zusammenschreiben, tschö.“
Peter und Karl: „Wiedersehn“

Die Szene bleibt still. Jennifer verschwindet im Dunst des Nieselregens. Peter macht sein Bier leer.

Peter: „Machst mir noch ein Astra, Meister?“
Karl: „Klar dat.“ Und blickt zurück zu den Franzosen.
Einem Herrn in der Gruppe ist gerade sein Würstchen runter gefallen. Er hebt es auf, wischt es grob ab und beißt hinein.

Karl: „Echt keine Kultur diese scheiß Franzosen.“
Peter: „Ja, echte Pottsäue sind dat.“

Blendet aus...

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TEIL 2 - Kulturgüter II -  Der lange Weg nach Berlin.

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