07.03.2013

Prof. Dr. Sven Führrath

Der Talk
Ich treffe den renommierten Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Sven Führrath in einer Kölner Kaffeehauskette. Bevor er sich zu mir an den Tisch setzt bestellt er einen schwarzen Kaffee (House Blend / Bold). An der Theke streut er sich noch einen ordentlichen Schuss Muskatnuss in sein Getränk. Er trägt einen ausgewaschenen Cordanzug und kommt Gerade von einer Pallindrom-Tagung. Er verzichtet auf die Nennung seines Professortitels.

DannyWeinkauf: Sehr geehrter Herr Dr. Führrath. Jüngst fielen Sie häufiger in den Medien auf. Vor allem Ihre Polemik in Der Bald-Zeitung sorgte für große Diskussionen. Der Titel lautete "Wenns nach mir ginge, könnte man all diesen Angelsächslern in den Kopf schießen bis denen das Hirn rausexplodiert!". Stehen sie den Anglizismen in der deutschen Sprache wirklich so kritisch gegenüber wie es der Artikel vermuten lässt?

Dr. Führrath: Yes.

Lange Pause

DannyWeinkauf: ähm...

Dr. Führrath (lachend): Keine sorge, das war ein Spaß. Ich wollte nur endlich mal beweisen, dass wir Sprachwissenschaftler gar nicht so verbohrte Spießer sind, wie man immer denkt und wir durchaus auch über etwas wie Selbstironie verfügen. Wissen Sie, uns ist schon bewusst das Sprache sich entwickelt und diese Entwicklung nicht zu stoppen ist. Nehmen wir z.B. das Wort Handy. Klingt nach englisch, ist es aber nicht. Wenn man einen Engländer oder Amerikaner nach seinem Handy fragt antwortet dieser meist nur mit Gegenfragen. Die englische Bezeichnung für Handy lautet Mobile Phone oder Cellular Phone umgangssprachlich sagt man dann auch gerne mal Cell oder Mobile. Vor allem ersteres finde ich niedlich.

DannyWeinkauf: Interessant. Ich habe gesehen, dass Sie sich gerade Muskatnuss in den Kaffe geschüttet haben, mögen Sie Muskatnuss?

Dr. Führrath: Eigentlich überhaupt nicht, ich wusste nicht das das Muskatnuss ist, der Streuer sah nur so schön aus, da wollte ich ihn ausprobieren.

DannyWeinkauf: Die Eigentümerin des toskanischen Weinguts „Badia a Coltibuono", Emanuela Stucchi Prinetti antwortete neulich in einem Interview mit der WirtschaftsWoche auf die Frage: "Paris oder London?"; dass sie es liebe zur Abwechslung auch mal Französisch zu sprechen. Wie nennt man die "Verfranzösisierung" der deutschen Sprache?

Dr. Führrath: Weiß ich nicht, das ist nicht mein Gebiet.

DannyWeinkauf: Sie sagten gerade eben das Sprache sich fortlaufend weiterentwickelt, warum dann so kritisch in Bezug auf Anglizismen?

Dr. Führrath: Nun ja, ich komme ja ursprünglich aus dem Osten und es klingt einfach ganz entsetzlich, wenn man englische Wörter sächselt, das hat mich schon während meines Studiums genervt. Mann kann sagen das ist jetzt so ein bisschen die Rache an meiner verkorksten Jungend. In Wirklichkeit interessiere ich mich ja vielmehr für die Herkunft von Wörtern und Sprichwörtern. Das ist oftmals lustig und man kann Bücher damit füllen, die die Leute dann auch kaufen.

DannyWeinkauf: Ein Beispiel?

Dr. Führrath: Ja, sofort. Ich kriege nur gerade dieses Interview mit Frau Stupinetti nicht aus dem Kopf. Zum einen ist ja bereits die Frage "London oder Paris?" äußerst blöd, zum anderen scheint mir die Antwort noch unpräziser zu sein. Französisch kann man nämlich durchaus auch in London sprechen wenn einem danach ist, generell muss man sich in keiner der beiden Städte aufhalten wenn man französisch sprechen möchte. Es ist verwunderlich das da, anscheinend, weder der dortige Reporter, Frau Pinetti oder auch sie noch mal genauer drüber nachgedacht haben. Das ist dieses Phänomen mit den Attributen. Wir ziehen ja bereits ausreichend Informationen aus ungenauen Quellen oder zumindest glauben wir das. Dann machen wir uns ein Bild und plappern daher was das Zeug hält, deswegen kommt es aber auch oftmals zu Missverständnissen und Krieg. Zurück zu Ihrer Frage. Meine Lieblings Wort-Herkunft ist Watt, die Maßeinheit für elektrischen Strom. Das Wort hat nämlich nichts mit Watte zu tun sondern ist schlicht und ergreifend der Nachname des Schottischen Erfinders James Watt, ist das nicht witzig?

DannyWeinkauf: (lacht sehr kurz und statisch) Wenn er Schotte ist, also englischsprachig, dann ist das ja quasi auch eine Anglizisme.

Dr. Führrath: (grummelig) Ja stimmt. Aber Quasi sagt man nicht, vielleicht hier in Köln, aber das ist kein richtiges Deutsch.

DannyWeinkauf: Was ist richtiges deutsch?

Dr. Führrath: (lebt auf) Ja! Deutsch ist zunächst einmal eine Sprache. Was viele nicht wissen ist, dass Deutsch nicht nur in Deutschland gesprochen wird, sondern auch in der Schweiz und in Österreich. Deutsch ist, was im Duden steht.

DannyWeinkauf: Warum?

Dr. Führrath: Das habe ich so im Studium gelernt. Wissen Sie, ich hätte ja auch gerne Politikwissenschaften studiert aber dann belächeln einen die Leute immer nur und wollen wissen was man denn damit später machen kann. Sprachwissenschaftler hingegen schreiben Bücher, die sich dann wiederum Leute kaufen, die gerne wissen wollen was eigentlich deutsch ist. Und das ist es auch was ich wirklich, wirklich gerne mache, Bücher schreiben. Erst neulich ist wieder eins fertig geworden.

DannyWeinkauf: Wie lautet der Titel des Buches?

Dr. Führrath: Hab ich vergessen. Aber es ist ein Roman. Es geht um zwei Menschen, die zueinanderfinden. Eine Russin und ein namimbianischer Namas, sie wissen, das Volk das sich über Klick- und Schnalzlaute verständigt. Beide lieben einander, sind allerdings nicht in der Lage sich zu verständigen. So kommt es, dass die Beiden eine eigene Sprache entwerfen. Das Buch beschreibt die Sicht der beiden bis an den Punkt an dem sie auch beginnen in Ihrer Phantasiesprache zu denken. Das Buch besteht also zu jeweils 40% aus Russisch und Khoisan und zu 20% aus meiner Phantasiesprache, die ich liebevoll "Khussi" genannt habe.

DannyWeinkauf: (kritisch) Und wer soll das lesen?

Dr. Führrath: (reisgniert) Bisher leider niemand. Ich habe noch keinen Verlag dafür gefunden. Seit dem E-Books den Verlagen die Kundschaft wegschnappen geht es denen nur noch um Profit.

DannyWeinkauf: Wie geht die Geschichte denn aus?

Dr. Führrath: Da bin ich nicht mehr sicher. Ich bin im Moment wieder im Vorlesungsstress und müsste mich da jetzt noch mal reinlesen, das ist mir zu mühsam.

DannyWeinkauf: Vielen Dank für dieses Gespräch Herr Prof. Dr. Führrath.

Das Interview führte: DannyWeinkauf

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