23.08.2013

In Bochum gibts kein' Kuchen

Bahnhof Wiesbaden
Vor einiger Zeit fuhr ich mit meiner Großmutter quer durch Deutschland um die Familie zu besuchen.
Meine Oma war damals ca. 86 Jahre alt und suchte einen Begleiter für Ihre Rentnertour, da sie sich alleine nicht mehr so recht traute. Rock n'd Roll mit Gehhilfe wenn man so will. Ich, für meinen Teil, befand mich in meinen Semesterferien und wollte aufgrund der gerade vollzogenen Trennung von meiner Freundin ohnehin niemanden sehen. So beschloss ich Ihr den Roadie zu spielen.

Meine Familie wohnt Quer über Deutschland verteilt. Die Venues verteilten sich also wie folgt:

1. Losfahren, in Köln
2. Omi abholen, in München
3. Onkel besuchen, in Frankfurt
4. Zwei Tanten besuchen, in Bochum
5. Die Großeltern väterlicher Seits in Hamburg besuchen.
6. Omi nach Hause bringen
7. Heimfahren, leben geradebiegen.

Ich glaube meine Oma wusste das sie ihren Zenit, derarte Strapazen über sich ergehen lassen zu können erreicht hatte. Damit Sie mich nicht falsch verstehen, sie ist noch nicht tot oder sowas, aber dies war nach allem was ich behaupten kann die letzte wirklich lange Reise ihres Lebens.

Als ich am Münchener Hauptbahnhof aus meinem ICE ausgestiegen war und standesgemäß dreimal beleidigt wurde, sah ich meine liebe Oma am Bahnsteig stehen. Einen roten Ziehkoffer neben sich drapiert, einen Rosarfarbenen Mantel über den Schultern und ein kleiner Hut mit Tüllummantelung auf dem Kopf. So stand sie da und trotzte den münchener Berufspendlern mit dem Charme der guten alten Zeit. Ein zuckersüßer anblick.
Ich nahm ihren Koffer und wir bewegten uns auf Gleis 8, in den ICE Richtung Frankfurt, unserem ersten Ziel.

Es war ein wunderbarer Roadtrip wir besuchten Onkel Bernd in Frankfurt, der mit seiner Frau Margret stolz seine komplizierte neue Gartenteichinstallation samt Koisammlung präsentierte. Wir aßen Gulasch und ich schlief auf der gemütlichsten Gästezimmermatraze die mein Rücken jemals berühren durfte.
Danach besuchten wir meine Tanten in Bochum. Heike und Inge, beide geschieden. Aber glücklich! Schlussendlich dann meine Großeltern in Hamburg wo mir das Portemonnaie beim nächtlichen Rummel in St. Pauli gestohlen wurde. Wir genossen unsere Zeit miteinander, ohne viel zu reden. Wir bestaunten die Welt aus unseren Zugfenstern hinaus. Jeder auf die gleiche Art und Weise, obwohl uns ganze zwei Generationen trennten. Rasende latschaften, Wälder, Schlösser und Felder. Alle zogen Sie an unseren Augen vorbei ohne das es viel dazu zu kommentieren gab.
Zwischen Bochum und Hamburg verbündeten wir uns gegen die nervige Mitreisende in unserem Abteil, die wir ärgerten bis sie entnervt ihren Platz aufgab. Und auf der Rückreise schlief sie an meine Schulter gelehnt ein, wie noch vor wenigen Wochen meine Freundin. Wieder in München angekommen trug ich ihren Koffer zum Taxi. Ich frug wie es ihr gefallen hatte. Sie sagte: 'War gut alles, bis auf Bochum.'

'Was war denn in Bochum?' erwiderte ich verwundert.

'Na in Bochum gabs kein' Kuch' Antwortete Sie mit hämischen Lächeln, bevor das Taxi sie endgültig aufsog.

Ich blieb stehen und winkte bis ich sie nicht mehr sehen konnte. Dann fuhr ich Heim.


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